Gefühl von Freiheit

Anke Baumeister im Kreishaus

"Weite und hohe Flüge unternahm ich jeden Tag, Flüge ohne Start und Landung." Das schreibt die Künstlerin Anke Baumeister aus Getelo zu ihren rund 180 Malereien und Objekten, die in der Reihe "Kunst im Kreishaus" im Foyer der Nordhorner Kreisverwaltung an der Van-Delden-Straße gezeigt werden. Es sind vielgestaltige Bildwelten in Mischtechnik, die die Lehrerin Anke Baumeister während einer halbjährigem Beurlaubung vom Schuldienst in Süddeutschland geschaffen hat - ein üppiger Fundus zwischen Bild- und Objekthaftigkeit, der von innerer seelischer Balance und Suche sowie von formaler Experimentierfreude zeugt, es sind Bilder, die nach den Worten der Künstlerin "etwas von einem innerlichen Gefühl von Freiheit" wiedergeben.

"Mein bildnerisches Tun ist meine Auseinandersetzung mit dem Wahrnehmen und Erleben von Natur. Strukturen, Rhythmen, Ordnungen, stetes Wiederkehren, aber nichts Wiederholbares, die kleinen, feinen Unterschiede scheinbar gleicher Ereignisse faszinieren mich", sagt Anke Baumeister. Rhythmische Bewegungen ihrer Hand über dem Blatt Papier sind Spiegel ihrer Wahrnehmungen und ihrer Empfindungen, "eine Interpretation von Leben". Keine Geste ist wiederholbar, so Baumeister, keine Linie mit einer anderen identisch, jeder Farbfleck ist einzigartig. Diese Gedanken griff auch der 1. Kreisrat Hans-Werner Schwarz am Freitagabend zur Eröffnung der Ausstellung im Kreishaus auf: Die Schau könne stellvertretend dafür stehen, dass es im Leben zwar wiederkehrende Zyklen, nicht aber gleichförmiges Wiederholen gebe.

Auch in der jüngsten Schaffensphase bleibt Anke Baumeister sich und ihrer Neugierde treu. Da ist ihre seit Jahren erprobte Bildsprache, die spürbare Lust am Spiel, am Befragen und die Liebe zum kleinen Format, wobei sich jetzt nunmehr, auffallend die Farbe - hier vor allem Rot- und Orangetöne - in die Arbeit mischt. Zu sehen sind wieder die geheimnisvollen, mannigfach verdichteten kaligraphischen Texturen ohne ablesbare inhaltliche Bedeutung, diese energisch mit skriptoralen Zeichen und in strenger Ordnung zugeschriebenen Leinwände, die für den Betrachter ihren ästhetischen Wert aus den rhythmischen Strukturen eines unermüdlichen Duktusses und den Farbflüssen erfahren können. Für die Künstlerin selbst dürfte dabei eine meditative bis rauschhafte Prozesshaftigkeit des ruhelosen Tuns und Entstehens, die Auseinandersetzung mit der kontinuierlichen Bewegung, der Fluss von Farbe und die intuitive Bildung skriptoraler Formen als Ausdruck oder Bewältigung eigenen Erlebens im Vordergrund stehen. Die Dynamik und Energie des gesamten Körpers scheint Anke Baumeister in die Bewegung des Zeichenstiftes abzuleiten - und es scheint fast so, als wolle sie sich mit den kaligraphischen Arbeiten "freischreiben".

Diesen Werken konzentrierter Schriftgestaltung mit Zeichenstift und Farbe stehen Landschaften gegenüber, in denen Anke Baumeister Farbempfinden und Farbräume durchspielt und sich die strenge und präzise malerische Geste plötzlich in entspannte Großzügigkeit verwandelt. Ein der Natur intensiv entnommnes persönliches Erfahren, zwischen Stille und Sturm, die Wahrnehmung von Wachstum und Vergünglichkeit, von Bewegung und Ruhe, bildnerisch gerade eben noch erkennbar am Gegenstand angelegt, löst sich im schwungvollen Malprozess der Aquarelle und Mischtechniken auf zu abstrakten Flächen und schafft neue, ästhetisch überaus reizvolle Bilderwelten. Hier entstehen poetische und narrative Mikrokosmen, die den Betrachter zur Assoziation auffordern.

Eine nahezu liebenswürdige Originalität entwickelt Anke Baumeister schließlich dort, wo sie ihre verspielte Haltung betont; etwa in ihrem visuellen Tagebuch, wo sie 21 Wochen lang jeden Tag ein kleines, künstlerisch gestaltetes Holzplättchen mit einem Stichwort als Tagesessenz zugewiesen und zu einem Gesamtbild gereiht hat.

Martin Schröer (Getelo) sagte in seiner Werkeinführung zur Ausstellungseröffnung: "Das Spontane, das Tun im Hier und Heute sind Triebfedern ihres Schaffens. Es gibt keine Zukunft, es gibt keine Vergangenheit, sondern nur das, was sie - wie sie selbst zugibt - in bisweilen rauschhaften Exzessen dokumentiert. Sie ist auf der Suche nach Ausdrucksformen. die dem nahe kommen, was sie will."

Text Thomas Kriegisch, Fotos Werner Westendörp
Abdruck mit freundlicher Genehmigung der GN-Redaktion